Ich habe meinen Kumpel und Schauspieler Christian Stock (30) zu einem Foto-Shooting mit anschließendem Interview gebeten. Er wohnt in Köln, spielt regelmäßig Theater und dreht Werbespots.
Christian, wie geht es dir?
Christian Stock: Jetzt im Ernst?
Ja!
Hervorragend!
Was liegt bei dir schauspielerisch grad an?
Momentan hab ich sehr viel zu tun mit Moderation, Theater, vor allem Kindertheater und Citythriller ( = Krimi-Event zum Mitmachen). Einen ukrainischen TV-Werbespot hab ich grade gedreht und im Januar stehen schon wieder zwei Spielfilme an. Dann studiere ich gerade sieben neue Bühnenshows ein für das Odysseum in Köln, wo ich jetzt ziemlich fest drin bin als Entertainer. Und vor zwei Wochen habe ich eine Kleinigkeit für 3Sat gedreht.
Was war das für 3Sat?
Da hab ich ein paar Einspieler für die Sendung “Bauerfeind” gedreht, wo ich als Obdachloser in der Stadt rumlungere, was ich ja privat… äh, was heißt privat… (lacht) in meiner Rolle bei Citythriller auch mache. Jetzt halt mal fürs Fernsehen. Und einen Hooligan hab ich gespielt, das war auch sehr schön.
Was war das genau?
es ging um das Thema Rendite. Die machen bei “Bauerfeind” ja Satire. Man kann in Hooligans investieren, damit die im Knast bleiben oder so.
Okay, kann man das schon sehen?
Es wird irgendwann auf 3Sat ausgestrahlt, aber wohl nicht mehr dieses Jahr.
Christian Stock: „Für’s Abi hat mir ein Punkt gefehlt.“
Wie fing das eigentlich alles an mit dir und Schauspiel? Was war das allererste, was du gemacht hast?
Das allererste müsste in der Grundschule gewesen sein. „Der Fischer und seine Frau“ war mein erstes Theaterstück. Ich war der Fischer. Das muss so 2., 3. Klasse gewesen sein. Die erste Hauptrolle und auch mit singen und so nem Quatsch. Zu Weihnachten habe ich auch öfter im Krippenspiel gespielt, wo ich meist Josef war. Beim ersten Krippenspiel war ich aber der Herold und hatte so einen fetten Monolog, hab alles auswendig gelernt und hatte den meisten Text von allen.
Und was war das erste professionellere?
Wo es zum ersten Mal Kohle gab, war Maskentheater in meiner Heimat Fulda. Da war ich 17 oder 18.
Wann hast du konkret gedacht, dass du Schauspiel beruflich machen willst?
In der Oberstufe erst. Ich hab immer Jugend- und Schultheater gespielt, hätte aber damals nie gedacht, dass ich das mal beruflich mache. Das hat sich dann in der Abiturphase entwickelt, wo man sich dann Gedanken machte, was nach dem Abi passiert. Studieren war mir zu theoretisch, hinzu kam, dass ich mein Abi glorreich verhauen habe. Mir hat ein Punkt gefehlt aufgrund akuter Faulheit. Ich hatte einfach überhaupt keinen Bock auf das ganze System. Irgendein Zeugs lernen, was man nicht will und bei dem man damals schon wußte, das brauchst du nie wieder. Ich hätte natürlich wiederholen können, aber ich hatte keine Lust mehr auf die Sülze.
Dann hab ich ein Jahr lang gearbeitet. Ich hatte vier Jobs parallel zu der Zeit. Insgesamt war ich vier Jahre bei Burger King, davon ein Jahr Vollzeit. Dann war ich noch ehrenamtlich bei der Bahnhofsmission, da habe ich mich mit Obdachlosen und Drogenabhängigen beschäftigt. Ich habe Zeitungen ausgetragen und zwei Jahre im Schlosstheater Fulda als Bühnenhelfer gearbeitet. Da habe ich mir auch viele Inszenierungen angeschaut, das war echt cool. In der Zeit habe ich mir für meine Verhältnisse sehr viel Geld zusammen gespart, ich glaube so 2000 Mark. (grinst) Und dann habe ich mich gefragt, was ich jetzt mache und irgendwie kam die absurde Idee: Schauspielschule!
Christian Stock: „Hannes Jaenicke fand mich ziemlich gut.“
Ich habe mir Info-Material von Schauspielschulen zuschicken lassen und mein erstes Vorsprechen war an der Schauspielschule in Regensburg. Da ging es um ein Stipendium. Ich kam unter die letzten sieben und dort war Hannes Jaenicke in der Jury, der mich ziemlich gut fand. Die hätten mich gerne genommen, aber nicht mit Stipendium. Dann hab ich erstmal noch weiter geschaut. Die zweite Schule war in Köln, die Film Acting School. Hier bin ich dann letztendlich gelandet, weil mir das Konzept so gut gefiel. Es war die erste und damals einzige deutsche Schauspielschule, die sich nur mit Kameraschauspiel beschäftigte. Außerdem hat mir die Stadt gut gefallen. Deswegen bin ich hier auch geblieben.
Aber es gab für dich beruflich nie eine Alternative zur Schauspielerei?
Nö.
Du hast dir auch nie gedacht, sicherheitshalber noch was anderes zu machen?
Ich bin nicht so ein Sicherheits-Mensch. Ich habe viele Interessen und kann viel, aber nichts richtig, aber ich kann einfach nicht jeden Tag das Gleiche machen. In einem Büro arbeiten könnte ich nicht.
Christian Stock: „Wenn ich auf die Fresse fliege, hab ich zumindest was draus gelernt.“
Hast du dir mal gedacht, du versuchst es so und so lange und wenn es nicht klappt, machst du etwas anderes?
Nö, hab ich auch nicht. Ich hab es einfach versucht. Meine Mutter war zumindest einverstanden, aber mein Vater hat etwas gestöhnt und war skeptisch. Er ist seit über 30 Jahren Fabrikarbeiter. Aber er wollte trotzdem, dass ich das tue, was mich glücklich macht und mit dem ich Geld verdiene und nicht so ende wie er und jeden Tag Schichtarbeit machen muss. Mittlerweile ist er auch extrem stolz auf mich. Meine Mutter und meine Schwester natürlich auch. Ich hab nie überlegt, was anderes zu machen, wenn es nicht klappt.
Wenn ich auf die Fresse fliege, hab ich zumindest was draus gelernt. Mach, was du willst und werde damit glücklich und ich bin damit glücklich. Ich hab jetzt aber auch nicht den Druck so von wegen “Oh Gott, du musst es unbedingt schaffen!”. Aber die Gewissheit, davon leben zu können, ist da. Der Faktor Ruhm ist nicht so ausschlaggebend bei mir. Ich weiß, dass ich meine Familie später ernähren kann und das stimmt mich zuversichtlich.
Gibt es ein Projekt oder ein Film, wo du sagst, dass war dein bisheriger schauspielerischer Höhepunkt?
Puh, das ist verdammt schwer zu sagen. Ich hab bisher ca. 130 Projekte gemacht… Woran ich mich z.B. gern erinnere, ist die 2. Staffel von “Dämmerung” (Mystery-Webserie), wo wir eine Woche in Ostfriesland gedreht haben und auf einem Ponyhof untergebracht waren. Das war wunderbar, ein tolles Team und wir hatten viel Spaß, obwohl es arschkalt war. Ich hatte auch nur ein kurzes Hemd an, hat keinen interessiert, Nippelalarm – egal! Aber der Dreh und was immer nach Drehschluss kam, war wunderschön.
Für welchen Dreh hast du am meisten Geld bekommen?
Das war der Werbespot zur Bahncard 25 1+4, den ich dieses Jahr gedreht hab. Ich hatte zwei Drehtage und ein Foto-Shooting für die Printkampagne. Das hat mir ein kleines Pölsterchen aufs Konto gebracht.
„Man darf nur nicht in sich versacken und keinen Antrieb mehr haben.“
Hattest du auch schon mal einen richtigen Tiefpunkt gehabt?
Sicher, das hat jeder Schauspieler mal. Es gibt Phasen, da flutscht es von allein, man braucht gar nicht viel machen. Aber dann gibt es auch mal so Phasen, wo du dich fragst, ob das alles so richtig ist, was du machst und warum dich keiner anruft um mit dir zu drehen. Und ich weiß genau, dass das wieder kommen wird. Wenn man sich dessen bewusst ist, ist alles gut. Man darf nur nicht in sich versacken und keinen Antrieb mehr haben. Aber momentan ist es wunderbar, ich kann mich vor Angeboten kaum retten und bin froh über ein oder zwei freie Tage im Monat.
Du lebst also grad auch komplett nur von Schauspiel?
Ja! Ich hab schon ewig keinen Promotion-Job mehr gemacht.
Hast du ein schauspielerisches Vorbild?
Kann ich nicht sagen. Es gibt ein paar Schauspieler, die ich geil finde, aber ich bin nicht der Typ, der einen nacheifert. Ich bin ich. Aber natürlich orientiert man sich an den Großen…
Wer sind die denn für dich?
Aus Deutschland finde ich Kinski großartig. Das war der Beste. Menschlich zwar ein Arsch, aber in seinen Rollen ist er wirklich aufgegangen. Dann natürlich Al Pacino und Robert De Niro. Aber ich hab so ein Problem mit deutschen Jungschauspielern, wenn ich ehrlich bin. Vielleicht ist da auch ein bisschen Neid dabei, gebe ich gerne zu. Aber ich mag es einfach nicht, wenn Einzelpersonen zu sehr gehypt werden. Deswegen kann ich mit Leuten wie Daniel Brühl oder den Ochsenknechten auch nicht viel anfangen.
Ist das nicht mit Leuten wie Robert De Niro nicht anders?
Der kann aber was!
Und Daniel Brühl nicht?
Sicherlich hat der auch seine Daseinsberechtigung, aber überragend finde ich ihn nicht. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen: Das, was er kann, kann ich auch! Und ich hab auch ein Problem mit Schauspieler- oder Regisseurskindern, weil die sich nicht den Arsch aufreißen mussten. Daniel Brühls Vater war z.B. Regisseur. Somit war der Fuß schon in der Tür.
Gibt’s einen Film, der dich beeinflusst hat? Was sind deine Lieblingsfilme?
Ich habe keinen absoluten Lieblingsfilm. Ich stehe auf Komödien, Horrorfilme, Popcornkino, es kann aber auch gerne mal Kunst sein. Nur bitte nicht zu viel. Toll finde ich „Shaun of the Dead“, „Zombieland“, „Noises Off“, „Big Fish“, „The Green Mile“ oder so Hirnfickfilme wie „Memento“ oder „Butterfly Effect“.
Gibt’s eine Rolle, bei der du sagst, die hättest du auch sehr gerne gespielt?
Die gibt’s und zwar in „American Psycho“ mit Christian Bale. So ein geschniegelter Anzugtyp, der vollkommen ausrastet, wenn ein anderer eine geilere Visitenkarte hat als er. So Typen, denen man es nicht ansieht, die aber extreme Leichen im Keller haben.
„Wenn du eine Alternative hast zur Schauspielerei, dann mach das bitte.“
Angenommen, es kommt ein junger Typ um die 16 auf dich zu und sagt, dass er auch Schauspieler werden will. Was sagst du dem?
Überleg dir das gut! Ein bekannter US-Schauspieler hat mal in seinem Coaching-Seminar die Gruppe gefragt, ob es jemanden gibt, der sich neben der Schauspielerei noch was anderes vorstellen könnte. Ein paar haben die Hand gehoben und dann hat er gemeint: “Raus!” Find ich ziemlich cool. Entweder ganz oder gar nicht. Wenn du eine Alternative hast zur Schauspielerei, dann mach das bitte.
Heinrich Schaffmeister hat mal gesagt: „Schauspielerei ist der schönste Beruf, den man nicht weiterempfehlen kann.“ Was meinst du dazu?
Genauso wollte ich das sagen. Schauspielerei kann der schönste Beruf der Welt sein, es kann aber auch der grausamste Beruf der Welt sein.
Dann hab ich noch vier Fragen, die ich immer stelle.
Was ist dir wichtig im Leben?
Zufriedenheit. Familie. Und am Ende, wenn man nicht mehr da ist, soll man schon was hinterlassen haben. So, dass die Nachwelt denkt: „Alles klar, dass war Christian Stock!“
Eine Lebensweisheit, egal ob ein bekannter Spruch oder selbst ausgedacht.
Mach was du willst, habe darauf Lust, habe aber nie das Gefühl, dass du musst.
Wenn findest du besser: Die Ärzte oder die toten Hosen?
Ich bin einer von denen, die beiden Bands gut finden. Ich muss ehrlich sagen, auf CD die Ärzte… Nee, eigentlich kann man die beiden gar nicht miteinander vergleichen, weil sie komplett unterschiedlich sind. Ich war schon sieben, acht mal, sowohl auf Ärzte, als auch auf Hosen-Konzerten. Die Ärzte sind einfach mal witzig, die machen Spaß. Das Konzert dauert mal so drei- bis dreieinhalb Stunden, aber du hast Spaß dabei. Das ist Musik und gute, witzige Unterhaltung.
Bei den Hosen geht’s einfach ab. Du kannst jedes Lied mitgröhlen, die machen Stimmung. Ich habe Campino selbst mit einem Gipsbein die Traversen hochklettern gesehen. Das machen die Ärzte halt nicht. Die größte Bewegung, die die Ärzte haben, ist halt das Farin und Rod mal die Plätze tauschen, das war’s. Aber die Hosen sind nicht so witzig wie die Ärzte. Ich weiß, dass du Ärzte-Verfechter bist. Ich komme mit beiden wunderbar klar und gehe auf die Konzerte von beiden.
Welche Frage wurde dir noch nicht gestellt und wie lautet die Antwort?
Diese Frage wurde mir noch nicht gestellt. (lacht, überlegt etwas) Die Frage, die mir noch nicht gestellt wurde ist: Hallo Herr Stock! Wir drehen einen großartigen Film mit extrem hohen Budget und bräuchten Sie als Hauptdarsteller. Hätten Sie Lust? Da würde ich sagen: “Hmm… Joa, schick halt mal das Drehbuch…”
Christian, vielen Dank für das Interview!
Mehr zu Christian Stock auf seiner Website.
-> Hier geht’s zum vorherigen Interview mit Florian Schmitz.
Alle Bilder © Simon Taal
Edit: Jahre später nach diesem Interview hat Christian Stock den Kölner Umweltverein KRAKE gegründet. Mehr dazu hier.