David Lutz Miller: „Das deutsche Kino hat weit mehr zu bieten als Til Schweiger“

Interview mit David Lutz Miller, Schauspieler und der Trommler von Y-Titty.

David Lutz Miller ist Schauspieler, stammt aus Süddeutschland  und lebt seit einigen Jahren in Köln. Im Internet ist er bekannt als „Der Trommler“, seit er 2011 bei Y-Titty (Deutschlands erfolgreichste Youtuber) im Musikvideo „Ständertime“ als Trommler zu sehen war. Inzwischen hat das Video über 14 Millionen Aufrufe. David taucht regelmäßig in den Videos der Comedygruppe auf.

Hallo David! Wie geht’s dir?
Gut. Mein Gerstenkorn ist wieder weg, tränt nur noch ein bisschen.

Erste Frage: Wie kamst du zu Y-Titty?
Eine Freundin hat auf Crew United ein Inserat von ihnen gesehen, in dem stand, dass sie einen großen korpulenten Menschen suchen, der etwas Rhythmusgefühl hat. Allerdings war die Anzeige schon zwei Wochen drin, hab mir keine Hoffnungen gemacht, ihnen aber trotzdem eine Mail mit zwei Fotos. Zwei Tage später haben wir das Musikvideo zu „Ständertime“ gedreht.

Inzwischen bist du ja quasi der 4. Y-Titty…
Nein, der offizielle 4. Y-Titty ist ein Stofftier, ein Wolpertinger. Steht sogar in Y-Titty’s „Nicht-Buch“ drin.

Aber du bist schon, der am häufigsten mit ihnen dreht, aber nicht fest zur Gruppe gehört.
Ja, genau. Ich bin der Sidekick und der Trommler.

Neuerdings auch der Akkordeonspieler.
„Trommler“ hat sich aber festgesetzt, keine Ahnung warum. Unter dem Video stand mein Name, aber keine wusste meinen Namen. Alle haben mich nur „Trommler“ genannt und seitdem bin ich der Trommler.

Einen eigenen Youtube-Channel hast du ja merkwürdigerweise nicht…
Der ist im Aufbau.

Warum erst jetzt?
Ich plane schon seit fast anderthalb Jahren. Es gab bisher mehrere Konzepte, bei zwei sind die Sponsoren kurz vor dem Start abgesprungen, wodurch die Konzepte fallengelassen worden sind. Das neue Konzept ist komplett ohne Sponsor.

Kannst du schon etwas darüber verraten?
Es geht um alltägliche Dinge, aber trotzdem um Comedy.

Trittst du als du selbst auf?
Nein. Man ist zwar irgendwie immer man selbst, aber ich spiele schon eine Rolle. Für das erste Format, was in dem Kanal laufen wird, ist erst mal nur eine Rolle vorgesehen. Aber es werden sicher weitere Rollen kommen. Wir sind gerade noch an der Rollenausarbeitung, aber spätestens ab Februar soll es losgehen, dann immer ein Video pro Woche.

Du hast ja auch eine Schauspielschule besucht und bist auch Schauspieler außerhalb von Youtube. Was hast du da so gemacht?
Ich habe in verschiedenen Theaterstücken mitgemacht, hauptsächlich von „Adolesk“, das ist ein junges Kölner Theater-Ensemble. Da habe ich bisher in drei Stücken mitgespielt. Dann habe ich noch einmal bei „Verbotene Liebe“ mitgespielt und einmal bei „Unter uns“. Zwischendurch habe ich eine Ausbildung zum Sprecher und Synchronsprecher angefangen und abgebrochen. Nicht, weil mir das kein Spaß gemacht hat. Aber alles, was ich dort gelernt habe, kannte ich schon von der Schauspielschule.

Hast du schauspielerische Vorbilder?
Vorbilder nicht direkt. Es gibt viele Leute, die mir gut gefallen, aber Vorbilder sind immer so eine Sache. Wenn man ein Vorbild hat, versucht man es zu kopieren. Es gibt viele Schauspieler, bei denen ich mir gerne etwas abschaue, u.a. Detlev Buck und der Münster-Tatort-Kommissar Axel Prahl. International gibt es eigentlich nur eine Schauspielerin die mehr sehr gut gefällt und das ist Uma Thurman. Ich bin ein totaler Verfechter des deutschen Films und finde es schade, dass er sich so wenig traut. Es sind meistens nur Krimi-Reihen, die trotzdem relativ seicht sind, Tatort ist gut, hat aber seine Macken. Ich bin aber totaler Tatort-Suchti.
Weitaus begeisterter bin ich von dänischen und skandinavischen Produktionen, die einfach viel packender sind. Trotzdem sage ich, dass das deutsche Fernsehen irgendwann noch seine Renaissance erleben wird und da freue ich mich drauf.

Was hältst du Til Schweiger-Filmen?
Ich habe großen Respekt davor, was Schweiger geleistet hat, die Filme sind aber absolut nicht mein Humor. Ich gucke die Filme mit ihm nicht so gern, das deutsche Kino hat weit mehr zu bieten als Til Schweiger.

Daniel Brühl zum Beispiel…
Der ist mir viel zu seicht. Den Hauptdarsteller aus Neue Vahr Süd, Frederick Lau, finde ich z. B. absolut klasse. Florian David Fitz gefällt mir auch sehr gut. Ja, deutsches Kino kann doch etwas. (lacht)

Was sind deine Lieblingsfilme?
Schwer zu sagen. Ich habe eher Lieblinsregisseure, von denen mehr viele Filme gefallen. Das ist z. B. Pedro Almodòvar. Dann Akira Kurosawa („Die sieben Samurai“), einer der größten japanischen Filmemacher überhaupt. Mein Lieblingsfilm von ihm ist „Ran“, dass war der erste Film in meinem Leben, bei dem ich Blut gesehen habe. Der Film ist ein reines Kunst-Gemetzel, „300“ ist ein Scheißdreck dagegen. Es geht um eine Fürstenfamilie, dessen Vater vom Thron abdankt, sein Reich unter seinen drei Söhne aufteilt und die sich gegenseitig abschlachten. Zum Schluss bleibt nur noch der Vater übrig und dreht ab.

Tarantino und Rodriguez finde ich auch noch sehr gut. Dann gibt’s da noch den relativ unbekannten Gaspar Noé mit Filmen wie „Menschenfeind“ und „Irreversibel“, beide sehr realitätsgetreu gedreht und für viele zu hart.

Der Schauspieler Heinrich Schaffmeister sagte mal: „Schauspielerei ist der schönste Beruf, den man nicht weiter empfehlen kann.“
Das stimmt absolut. Es macht tierisch viel Spaß und du hast unendlich viele Möglichkeiten und unglaublich wenig Geld. 98 % der deutschen Schauspieler können nicht von ihren Beruf leben.

Was sagst du jemanden, der sagt, dass er Schauspieler werden möchte?
Überlege dir das gut! Wenn der Wille wirklich da ist, mach’s. Aber du musst wissen, worauf du dich einlässt. Als ich früher die Schauspieler gesehen habe, dachte ich mir auch „Ui, tolles Leben“, aber das ist es absolut nicht.

Was steht bei dir als nächstes an?
Ich habe gerade erst „Doom“ von Adolesk gespielt, ein Theaterstück über Kindesmissbrauch. Am 3.12. mit Y-Titty im „Gloria“ ein Konzert und Anfang nächsten Jahres folgt die Tournee durch Deutschland, Schweiz und Österreich.

Zum Abschluss meine vier Standardfragen.

Wen findest du besser: Die Ärzte oder die Toten Hosen?
Stimme der Hosen und die Texte von der Ärzte. Ich liebe Campinos Stimme, aber die Hosen machen mir zu viele Sauflieder. Die Ärzte haben Hammer Texte, sehr politisch wie ich finde. Wenn man beides zusammenlegen würde, wäre das grandios.

Was ist dir wichtig im Leben?
Glücklich zu sein. Das zu machen, worauf ich Lust habe. Ohne Abstriche geht’s natürlich nicht, aber auch so frei zu sein wie möglich.

Eine Lebensweisheit…
Etwas wie moralische oder unmoralische Bücher gibt es nicht. Bücher sind gut oder schlecht geschrieben. Weiter nichts…. (Oscar Wilde)

Welche Frage wurde dir noch nicht gestellt und wie lautet die Antwort drauf?
Wie ist das Verhältnis zu deinen Eltern? – Bestens, ich liebe sie. Die besten Eltern, die man sich vorstellen kann!

Vielen Dank für das Interview!

Weiteres zu David:

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„Es ist wie ein Gelübde“

Interview mit Schauspieler Nikolai Will aus Köln


Hier ein Interview  mit Schauspieler und langjähriger Kumpel Nikolai Will (31) aus Köln.

Hallo Nikolai!
Hallo Simon!

Wie geht’s dir?
Momentan kann ich ausnahmsweise mal nicht klagen. (lacht)

Woran liegt’s?
Weil es jetzt grad mal gut läuft, wie es das ganze Jahr nicht der Fall war. Ich hab mich acht, neun Monate so durchgewürgt, hatte hier und da mal einen Schauspiel-Job. Und jetzt seit zwei, drei Monaten hole ich plötzlich alles nach, was ich die ersten neun Monate nicht verdient habe. Ich habe fast jede Woche einen Schauspiel-Job. Ich weiß natürlich, dass es nicht so bleibt, genieße aber grad den Luxus, dass es so ist.

Was hast du zuletzt gedreht?
Das war ein Schulungsfilm für ein medizinisches Institut. Der Film war für ein neu entwickeltes Spiel, dass nennt sich „Kompetenzsspiel“ und ich habe einen schizophrenen Lehrer gespielt. Das sind Sachen, dir mir besonders viel Spaß machen. Ich finde es in der Schauspielerei am interessantesten, wenn ich die Chance habe, ein Krankheitsbild darzustellen. Da habe ich mich gefreut, dass machen zu können und gleichzeitig auch noch Geld dafür zu bekommen.

Wie fing das an bei dir mit der Schauspielerei?
Ich bin Ende 1997 durch einen Verwandten – der zweitälteste Sohn meiner Tante, bei der ich aufgewachsen bin – auf eine Kontaktanzeige aufmerksam gemacht geworden, weil die Verwandten wussten, dass ich total gerne Theater spiele. Da hat eine freie Bühne einen Workshop gegeben. Der war jeden Dienstag und ich bin immer hingegangen. Irgendwann hieß es dann „Wir machen ‚Arsen und Spitzenhäubchen'“ und es gäbe noch kleinere Rollen zu besetzen und da habe ich meine erste Rolle bekommen. Februar 1998 war die Premiere und ich habe den Polizisten ‚Klein‘ gespielt, passend zur Größe der Rolle. (lacht)

Wann war klar, dass du Schauspielerei beruflich machen willst?
Als Neunjähriger wollte ich mal Architekt werden, weil ich durch unseren Untermieter mitbekommen habe, dass die viel Geld verdienen. Die bekommen 10% von dem, was das Haus wert ist. Aber abgesehen davon, war mir schon immer klar, dass ich schauspielern wollte. Ich weiß nicht, ob mir schon immer bewusst war, dass man das auch zum Beruf machen kann. Fest steht aber, als ich ganz sicher wußte, dass ich es werden möchte, so in der achten oder neunten Klasse, hat die ganze Schule für mich keinen Sinn mehr gemacht und ich wurde schlechter und schlechter. Ich wusste nicht, wozu ich Mathematik, Physik und Chemie brauche, wenn ich doch Schauspieler werden möchte.

Es gab auch nie eine Alternative für dich?
Doch, mir fällt ein, ganz kurz wollte ich mal Journalist werden. Ich hab mal ein Praktikum beim „Sonntagsblatt“ bei uns in Würzburg gemacht. Da durfte ich Bildunterschriften schreiben, nicht der Rede wert. (lacht) Da war ich vier oder fünf Wochen. Das wäre das einzige, was ich mir noch hätte vorstellen können. Also als Journalist zu arbeiten und Kritiken oder ähnliches zu schreiben.

Gibt’s eine Rolle die du als deine wichtigste bisher ansiehst?
Ich muss sagen, dass ist immer noch meine erste Rolle, der geistig-behinderte Jugendliche, den ich in dem Kurzfilm „Seeking Philipp“ gespielt habe. Der Film hat auch viel Zuspruch bekommen und den Bayrischen Jugendfilmpreis gewonnen. Da stand ich zum ersten Mal vor der Kamera und mir wurde schauspielerisch kaum geholfen, ich hab alles selber gemacht. Trotzdem hat das die Leute so beeindruckt.
Und jetzt aktuell gibt’s wieder einen Kurzfilm, auch wenn ich etwas enttäuscht war, dass der Film zwar gute Kritiken von Leuten bekommen hat und jeder begeistert ist von meiner schauspielerischen Leistung. Aber auf Festivals hat er überhaupt nicht seinen Weg gemacht, der Film heißt „Kleines Püppchen Teddybär“. Da habe ich einen pädophilen jungen Mann gespielt. Hier habe ich mir die Aufgabe gestellt, dass zu spielen ohne in einen typischen Hollywood- oder Fernsehklischee zu verfallen. Ich habe wirklich ernsthaft über diese Krankheit recherchiert und mich über betroffene Personen informiert, um ein unreißerisches Bild darzustellen.

Wer ist dein schauspielerisches Vorbild?
Javier Bardem! Man kennt ihn aus dem aktuellen James Bond-Film, da spielt er den Bösewicht. Er ist für mich der beste Schauspieler auf der Welt. Da kommt kein Robert De Niro, kein Al Pacino und einfach überhaupt keiner ran. Er hat eine unfassbare Wandlungsfähigkeit von ganz charmant in „Vicky Christina Barcelona“ über seine Oscarrolle in „No Country For Old Men“ bis zu „Das Meer in mir“, wo er einen querschnittsgelähmten spielt – der Typ kann echt alles spielen! Man kann sich jeden Film mit ihm anschauen, er ist immer anders und immer überzeugend. Das ist auch das, was mich am meisten an der Schauspielerei interessiert: Die Verwandlung! Das steht für mich an oberster Stelle. Für mich ist das größte Kompliment, wenn die Leute zu mir sagen, dass sie mich nicht wiedererkannt haben. Habe deshalb auch grossen Spass gehabt mich für eine Computerspielproduktion, in der ich als reale Person auftauche, in eine Frau zu verwandeln.

© Vroni Valder

Welche Filme haben dich schauspielerisch beeinflusst?
Alles was Javier Bardem gespielt hat, wie z.B. in „Das Meer in mir“. Dann noch die beiden Oscarfilme mit Sean Penn: „Mystic River“ und „Milk“. In „Mystic River“ spielt er einen harten, leidenden Typen, weil so weit ich weiß seine Tochter umgebracht wurde. Und dann spielt der selber Schauspieler, was ich nie für möglich gehalten habe, unfassbar einfühlsam in „Milk“ einen schwulen Politiker. Wenn man sich die beiden Filme hintereinander anschaut  ist man total geflasht. Weitere Filme sind noch „Der Club der toten Dichter“ und „Spurlos“, aber der niederländische Originalfilm. „Little Miss Sunshine“ find ich auch großartig. Aber ich mag auch deutsche Filme sehr, wie aktuell grad „Oh Boy“, bei dem man in jeder Rolle richtig gutes deutsches Schauspiel sieht.

Gibt es deiner Meinung nach auch einen bekannten Film, der überbewertet wird?
„Die Wolke“, eine Bestseller-Verfilmung eines Buches, das die Leute aus der Schule kennen. Das war ein Film, der mich einfach aufgeregt hat, weil ich ihn von der Psychologie der weiblichen Hauptfigur unglaublich peinlich fand. Da stirbt deren kleiner Bruder, fünf Minuten später springt sie wieder fröhlich durch die Gegend, um sich dann wieder fünf Minuten später pathetisch auf die Knie zu werfen und in den Himmel zu schreien. Die Verfilmung fand ich panne.

Und welcher Film ist zu unrecht weitgehend unbekannt geblieben?
Da gibt’s vor allem deutsche Filme. Oftmals heißt es von Einheimischen, dass wir deutschen keine guten Filme machen können. Alle finden immer das amerikanische Kino so toll. Die Tragik ist, dass wir deutschen unsere Filme nicht gut vermarkten können. Man kriegt immer nur die Til Schweiger-Filme mit. Aber es gibt total viele kleine klasse Filme, die wir haben. Da muss ich nochmal „Oh Boy“ nennen, sensationeller Film! Dann noch Picco, dass war auch ein großartiger, intensiver Film. Ein richtig satirischer, gewagter und frecher Film war „Muxmäuschenstill“. „Napola“ und „Sophie Scholl“ sind großartiges Schauspielkino. Deutsche Filme werden viel zu wenig wahrgenommen.

Heinrich Schafmeister hat mal gesagt „Schauspielerei ist der schönste Beruf, den man nicht weiterempfehlen kann“. Was sagst du dazu?
Der Mann hat recht, ja. (lacht) Man kann den Beruf für sich selbst verantworten, möchte ihn aber gleichzeitig anderen nicht zumuten. Man vergisst schnell die Schattenseiten. Sobald ich wieder einen bezahlten Schauspiel-Job habe, vergesse ich schnell die vier Monate vorher, wo ich mich echt durchgewirtschaftet habe mit irgendwelchen Nebenjobs, weil einfach kein Geld über die Schauspielerei rein kam. Dann kommt auf einmal – wie jetzt grad bei mir – eine Sache nach der anderen, aber genauso weiß ich, dass das auch schnell wieder aufhört. Wenn man spielen kann und dafür bezahlt wird, ist es der schönste Beruf auf der Welt und ich kann mir nichts anderes vorstellen. Wenn man nicht bezahlt wird, hängt echt alles am seidenen Faden der Ideologie. Aber ich liebe einfach nichts mehr als Filme und verliere nie den Reiz, mich in eine andere Figur zu verwandeln. Es gibt keinen anderen Beruf, der diese Vielfältigkeit bietet. Auch wenn es abgedroschen klingt: Ich lebe nur einmal und möchte das tun, wozu ich mich berufen fühle und nicht das, worin mich vielleicht meine Umgebung gerne sehen möchte.

Angenommen, ein 16-jähriger kommt auf dich zu und sagt, dass er auch Schauspieler werden will. Was sagst du dem?
Dann verweise ich ihn auf meinen Blog, den ich mal gemacht habe. (lacht) Nachdem ich nämlich immer wieder von 16-jährigen Mädchen angeschrieben wurde, die mitbekommen haben, dass ich Schauspieler bin und Tipps haben wollten, habe ich einen Artikel darüber geschrieben, auf was es ankommt. Das erste, was ich dann immer sage: Willst du Schauspieler werden, weil du berühmt werden willst dann vergiss es! Wenn derjenige aber sagt, dass er nicht anders kann, dass er es toll findet in Rollen zu schlüpfen, dass er es auch hinnehmen kann, schwer über die Runden zu kommen und sich keinen anderen Beruf vorstellen kann, nur dann kann ich es empfehlen. Es ist nämlich schon wie ein Gelübde, was man da eingeht.

Warum warst du nie auf einer Schauspielschule?
Zuerst hatte ich überhaupt nicht das Selbstbewusst sein mich an Schauspielschulen zu bewerben, obwohl ich mit 16-17 schon auf der freien Bühne gespielt habe. Dann habe ich mitbekommen, dass man bei der Aufnahmeprüfung auch singen muss und dass kann ich mal überhaupt nicht. Ich hab erstmal weiter freies Theater gespielt und bin dann irgendwann nach Köln gegangen und habe auch noch überlegt, auf eine Schauspielschule zugehen. Dann habe ich zufällig mal einen Quereinsteiger getroffen, der meinte, dass das, was ich mache echt gut sei und ich einfach weiter Filme drehen soll, ich würde das schon hinkriegen. Später ist mir dann natürlich auch über die Jahre bewusst geworden, dass es Sachen gibt, die ich nachholen musste. So habe ich mit Nick Dong Sik einen guten Schauspiel-Coach gefunden, bei dem ich sehr viel gelernt habe. Besonders schwere Rollen wie z.B. einen Pädophilen erarbeite ich dann auch mit ihm.
Mittlerweile haben mir viele Leute bestätigt, dass ich mich vor anderen Schauspielern nicht verstecken muss. Ich habe inzwischen ca. 200 Rollen vor der Kamera gespielt. Inzwischen finde ich sogar so einen Beruf Learning-by-Doing und unter realen Bedingungen auszuüben, anstatt in geschlossenen Räumen, bringt einen eher weiter. Grad zuletzt habe ich eine Rolle bekommen, bei der es ca. 350 Bewerber gab, ich habe wohl auch eine gewisse Authentizität, die andere nicht haben. Gerade bei Absolventen von privaten Schauspielschulen kommt es vor, dass diese, bevor sie einiges gedreht haben, etwas steriles und künstliches an sich haben.

Gibt es eine Rolle in einem bekannten Film, die du supergerne gespielt hättest?
Ja gibt es, auch wenn ich sie auf der Bühne schon gespielt habe: Harold in „Harold in Maude“. Die Rolle hat alles. Sie darf tragisch-komisch sein, hat aber auch ihre ganz großen Ausbrüche. Vom netten, nerdigen Müttersöhnchen bis zum absolut düsterem steckt alles in der Figur drin. Man kann unglaublich viele Facetten mit diesem Charakter zeigen.

Kommen wir zu den vier letzten Fragen, die ich immer stelle.

Was ist dir wichtig im Leben?
Am wichtigsten ist mir grad, dass ich nächstes Jahr in eine größere Wohnung umziehen werde. Die Wohnung, die ich jetzt habe, ist einfach viel zu klein. Dann ist mir wichtig nach langer Zeit wieder eine Beziehung zu haben. Und ich will irgendwann sagen können, dass ich komplett von der Schauspielerei leben kann.

Eine Lebensweisheit.
Du hast nur ein Leben, mach was draus.

Wenn findest du besser: Die Ärzte oder die Toten Hosen?
Die Ärzte. Das liegt daran, dass ich sehr gehinrgewaschen bin von dem Interviewer hier. (lacht) Und außerdem finde ich an den Ärzten gut, dass das drei coole Typen sind und man jeden interessant findet. Bei den toten Hosen gibt’s nur einen, den Rest kennt man nicht. Die Ärzte machen auch immer Hammer-originelle Videos, bei denen man gerne mitspielen würde.

Welche Frage wurde dir noch nie gestellt und wie lautet die Antwort?
Nikolai, woher hast du deinen fantastischen Körper? – Keine Ahnung, naturgegeben! (grinst)

Danke für das Interview, Nikolai!


Besucht aucht Nikolais Homepage: www.nikolaiwill.de

Alle Fotos bis auf Bild Nr. 3 von Simon Taal

Christian Stock: „Mach, was du willst und werde damit glücklich!“

Interview mit Schauspieler und Kumpel Christian Stock aus Köln.

Ich habe meinen Kumpel und Schauspieler Christian Stock (30) zu einem Foto-Shooting mit anschließendem Interview gebeten. Er wohnt in Köln, spielt regelmäßig Theater und dreht Werbespots.

Christian, wie geht es dir?
Christian Stock: Jetzt im Ernst?

Ja!
Hervorragend!

Was liegt bei dir schauspielerisch grad an?
Momentan hab ich sehr viel zu tun mit Moderation, Theater, vor allem Kindertheater und Citythriller ( = Krimi-Event zum Mitmachen). Einen ukrainischen TV-Werbespot hab ich grade gedreht und im Januar stehen schon wieder zwei Spielfilme an. Dann studiere ich gerade sieben neue Bühnenshows ein für das Odysseum in Köln, wo ich jetzt ziemlich fest drin bin als Entertainer. Und vor zwei Wochen habe ich eine Kleinigkeit für 3Sat gedreht.

Was war das für 3Sat?
Da hab ich ein paar Einspieler für die Sendung “Bauerfeind” gedreht, wo ich als Obdachloser in der Stadt rumlungere, was ich ja privat… äh, was heißt privat… (lacht) in meiner Rolle bei Citythriller  auch mache. Jetzt halt mal fürs Fernsehen. Und einen Hooligan hab ich gespielt, das war auch sehr schön.

Was war das genau?
es ging um das Thema Rendite. Die machen bei “Bauerfeind” ja Satire. Man kann in Hooligans investieren, damit die im Knast bleiben oder so.

Okay, kann man das schon sehen?
Es wird irgendwann auf 3Sat ausgestrahlt, aber wohl nicht mehr dieses Jahr.

Christian Stock: „Für’s Abi hat mir ein Punkt gefehlt.“

Wie fing das eigentlich alles an mit dir und Schauspiel? Was war das allererste, was du gemacht hast?
Das allererste müsste in der Grundschule gewesen sein. „Der Fischer und seine Frau“ war mein erstes Theaterstück. Ich war der Fischer. Das muss so 2., 3. Klasse gewesen sein. Die erste Hauptrolle und auch mit singen und so nem Quatsch. Zu Weihnachten habe ich auch öfter im Krippenspiel gespielt, wo ich meist Josef war. Beim ersten Krippenspiel war ich aber der Herold und hatte so einen fetten Monolog, hab alles auswendig gelernt und hatte den meisten Text von allen.

Und was war das erste professionellere?
Wo es zum ersten Mal Kohle gab, war Maskentheater in meiner Heimat Fulda. Da war ich 17 oder 18.

Wann hast du konkret gedacht, dass du Schauspiel beruflich machen willst?
In der Oberstufe erst. Ich hab immer Jugend- und Schultheater gespielt, hätte aber damals nie gedacht, dass ich das mal beruflich mache. Das hat sich dann in der Abiturphase entwickelt, wo man sich dann Gedanken machte, was nach dem Abi passiert. Studieren war mir zu theoretisch, hinzu kam, dass ich mein Abi glorreich verhauen habe. Mir hat ein Punkt gefehlt aufgrund akuter Faulheit. Ich hatte einfach überhaupt keinen Bock auf das ganze System. Irgendein Zeugs lernen, was man nicht will und bei dem man damals schon wußte, das brauchst du nie wieder. Ich hätte natürlich wiederholen können, aber ich hatte keine Lust mehr auf die Sülze.

Dann hab ich ein Jahr lang gearbeitet. Ich hatte vier Jobs parallel zu der Zeit. Insgesamt war ich vier Jahre bei Burger King, davon ein Jahr Vollzeit. Dann war ich noch ehrenamtlich bei der Bahnhofsmission, da habe ich mich mit Obdachlosen und Drogenabhängigen beschäftigt. Ich habe Zeitungen ausgetragen und zwei Jahre im Schlosstheater Fulda als Bühnenhelfer gearbeitet. Da habe ich mir auch viele Inszenierungen angeschaut, das war echt cool. In der Zeit habe ich mir für meine Verhältnisse sehr viel Geld zusammen gespart, ich glaube so 2000 Mark. (grinst) Und dann habe ich mich gefragt, was ich jetzt mache und irgendwie kam die absurde Idee: Schauspielschule!

Christian Stock: „Hannes Jaenicke fand mich ziemlich gut.“

Ich habe mir Info-Material von Schauspielschulen zuschicken lassen und mein erstes Vorsprechen war an der Schauspielschule in Regensburg. Da ging es um ein Stipendium. Ich kam unter die letzten sieben und dort war Hannes Jaenicke in der Jury, der mich ziemlich gut fand. Die hätten mich gerne genommen, aber nicht mit Stipendium. Dann hab ich erstmal noch weiter geschaut. Die zweite Schule war in Köln, die Film Acting School. Hier bin ich dann letztendlich gelandet, weil mir das Konzept so gut gefiel. Es war die erste und damals einzige deutsche Schauspielschule, die sich nur mit Kameraschauspiel beschäftigte. Außerdem hat mir die Stadt gut gefallen. Deswegen bin ich hier auch geblieben.

Aber es gab für dich beruflich nie eine Alternative zur Schauspielerei?
Nö.

Du hast dir auch nie gedacht, sicherheitshalber noch was anderes zu machen?
Ich bin nicht so ein Sicherheits-Mensch. Ich habe viele Interessen und kann viel, aber nichts richtig, aber ich kann einfach nicht jeden Tag das Gleiche machen. In einem Büro arbeiten könnte ich nicht.

Christian Stock: „Wenn ich auf die Fresse fliege, hab ich zumindest was draus gelernt.“

Hast du dir mal gedacht, du versuchst es so und so lange und wenn es nicht klappt, machst du etwas anderes?
Nö, hab ich auch nicht. Ich hab es einfach versucht. Meine Mutter war zumindest einverstanden, aber mein Vater hat etwas gestöhnt und war skeptisch. Er ist seit über 30 Jahren Fabrikarbeiter. Aber er wollte trotzdem, dass ich das tue, was mich glücklich macht und mit dem ich Geld verdiene und nicht so ende wie er und jeden Tag Schichtarbeit machen muss.  Mittlerweile ist er auch extrem stolz auf mich. Meine Mutter und meine Schwester natürlich auch. Ich hab nie überlegt, was anderes zu machen, wenn es nicht klappt.

Wenn ich auf die Fresse fliege, hab ich zumindest was draus gelernt. Mach, was du willst und werde damit glücklich und ich bin damit glücklich. Ich hab jetzt aber auch nicht den Druck so von wegen “Oh Gott, du musst es unbedingt schaffen!”.  Aber die Gewissheit, davon leben zu können, ist da. Der Faktor Ruhm ist nicht so ausschlaggebend bei mir. Ich weiß, dass ich meine Familie später ernähren kann und das stimmt mich zuversichtlich.

Gibt es ein Projekt oder ein Film, wo du sagst, dass war dein bisheriger schauspielerischer Höhepunkt?
Puh, das ist verdammt schwer zu sagen. Ich hab bisher ca. 130 Projekte gemacht… Woran ich mich z.B. gern erinnere, ist die 2. Staffel von “Dämmerung” (Mystery-Webserie), wo wir eine Woche in Ostfriesland gedreht haben und auf einem Ponyhof untergebracht waren. Das war wunderbar, ein tolles Team und wir hatten viel Spaß, obwohl es arschkalt war. Ich hatte auch nur ein kurzes Hemd an, hat keinen interessiert, Nippelalarm – egal! Aber der Dreh und was immer nach Drehschluss kam, war wunderschön.

Für welchen Dreh hast du am meisten Geld bekommen?
Das war der Werbespot zur Bahncard 25 1+4, den ich dieses Jahr gedreht hab. Ich hatte zwei Drehtage und ein Foto-Shooting für die Printkampagne. Das hat mir ein kleines Pölsterchen aufs Konto gebracht.

„Man darf nur nicht in sich versacken und keinen Antrieb mehr haben.“

Hattest du auch schon mal einen richtigen Tiefpunkt gehabt?
Sicher, das hat jeder Schauspieler mal. Es gibt Phasen, da flutscht es von allein, man braucht gar nicht viel machen. Aber dann gibt es auch mal so Phasen, wo du dich fragst, ob das alles so richtig ist, was du machst und warum dich keiner anruft um mit dir zu drehen. Und ich weiß genau, dass das wieder kommen wird. Wenn man sich dessen bewusst ist, ist alles gut. Man darf nur nicht in sich versacken und keinen Antrieb mehr haben. Aber momentan ist es wunderbar, ich kann mich vor Angeboten kaum retten und bin froh über ein oder zwei freie Tage im Monat.

Du lebst also grad auch komplett nur von Schauspiel?
Ja! Ich hab schon ewig keinen Promotion-Job mehr gemacht.

Hast du ein schauspielerisches Vorbild?
Kann ich nicht sagen. Es gibt ein paar Schauspieler, die ich geil finde, aber ich bin nicht der Typ, der einen nacheifert. Ich bin ich. Aber natürlich orientiert man sich an den Großen…

Wer sind die denn für dich?
Aus Deutschland finde ich Kinski großartig. Das war der Beste. Menschlich zwar ein Arsch, aber in seinen Rollen ist er wirklich aufgegangen. Dann natürlich Al Pacino und Robert De Niro. Aber ich hab so ein Problem mit deutschen Jungschauspielern, wenn ich ehrlich bin. Vielleicht ist da auch ein bisschen Neid dabei, gebe ich gerne zu. Aber ich mag es einfach nicht, wenn Einzelpersonen zu sehr gehypt werden. Deswegen kann ich mit Leuten wie Daniel Brühl oder den Ochsenknechten auch nicht viel anfangen.

Ist das nicht mit Leuten wie Robert De Niro nicht anders?
Der kann aber was!

Und Daniel Brühl nicht?
Sicherlich hat der auch seine Daseinsberechtigung, aber überragend finde ich ihn nicht. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen: Das, was er kann, kann ich auch! Und ich hab auch ein Problem mit Schauspieler- oder Regisseurskindern, weil die sich nicht den Arsch aufreißen mussten. Daniel Brühls Vater war z.B. Regisseur. Somit war der Fuß schon in der Tür.

Gibt’s einen Film, der dich beeinflusst hat? Was sind deine Lieblingsfilme?
Ich habe keinen absoluten Lieblingsfilm. Ich stehe auf Komödien, Horrorfilme, Popcornkino, es kann aber auch gerne mal Kunst sein. Nur bitte nicht zu viel. Toll finde ich „Shaun of the Dead“, „Zombieland“, „Noises Off“, „Big Fish“, „The Green Mile“ oder so Hirnfickfilme wie „Memento“ oder „Butterfly Effect“.

Gibt’s eine Rolle, bei der du sagst, die hättest du auch sehr gerne gespielt?
Die gibt’s und zwar in „American Psycho“ mit Christian Bale. So ein geschniegelter Anzugtyp, der vollkommen ausrastet, wenn ein anderer eine geilere Visitenkarte hat als er. So Typen, denen man es nicht ansieht, die aber extreme Leichen im Keller haben.

„Wenn du eine Alternative hast zur Schauspielerei, dann mach das bitte.“

Angenommen, es kommt ein junger Typ um die 16 auf dich zu und sagt, dass er auch Schauspieler werden will. Was sagst du dem?
Überleg dir das gut! Ein bekannter US-Schauspieler hat mal in seinem Coaching-Seminar die Gruppe gefragt, ob es jemanden gibt, der sich neben der Schauspielerei noch was anderes vorstellen könnte. Ein paar haben die Hand gehoben und dann hat er gemeint: “Raus!” Find ich ziemlich cool. Entweder ganz oder gar nicht. Wenn du eine Alternative hast zur Schauspielerei, dann mach das bitte.

Heinrich Schaffmeister hat mal gesagt: „Schauspielerei ist der schönste Beruf, den man nicht weiterempfehlen kann.“ Was meinst du dazu?
Genauso wollte ich das sagen. Schauspielerei kann der schönste Beruf der Welt sein, es kann aber auch der grausamste Beruf der Welt sein.

Dann hab ich noch vier Fragen, die ich immer stelle.

Was ist dir wichtig im Leben?
Zufriedenheit. Familie. Und am Ende, wenn man nicht mehr da ist, soll man schon was hinterlassen haben. So, dass die Nachwelt denkt: „Alles klar, dass war Christian Stock!“

Eine Lebensweisheit, egal ob ein bekannter Spruch oder selbst ausgedacht.
Mach was du willst, habe darauf Lust, habe aber nie das Gefühl, dass du musst.

Wenn findest du besser: Die Ärzte oder die toten Hosen?
Ich bin einer von denen, die beiden Bands gut finden. Ich muss ehrlich sagen, auf CD die Ärzte… Nee, eigentlich kann man die beiden gar nicht miteinander vergleichen, weil sie komplett unterschiedlich sind. Ich war schon sieben, acht mal, sowohl auf Ärzte, als auch auf Hosen-Konzerten. Die Ärzte sind einfach mal witzig, die machen Spaß. Das Konzert dauert mal so drei- bis dreieinhalb Stunden, aber du hast Spaß dabei. Das ist Musik und gute, witzige Unterhaltung.

Bei den Hosen geht’s einfach ab. Du kannst jedes Lied mitgröhlen, die machen Stimmung. Ich habe Campino selbst mit einem Gipsbein die Traversen hochklettern gesehen. Das machen die Ärzte halt nicht. Die größte Bewegung, die die Ärzte haben, ist halt das Farin und Rod mal die Plätze tauschen, das war’s. Aber die Hosen sind nicht so witzig wie die Ärzte. Ich weiß, dass du Ärzte-Verfechter bist. Ich komme mit beiden wunderbar klar und gehe auf die Konzerte von beiden.

Welche Frage wurde dir noch nicht gestellt und wie lautet die Antwort?
Diese Frage wurde mir noch nicht gestellt. (lacht, überlegt etwas) Die Frage, die mir noch nicht gestellt wurde ist: Hallo Herr Stock! Wir drehen einen großartigen Film mit extrem hohen Budget und bräuchten Sie als Hauptdarsteller. Hätten Sie Lust? Da würde ich sagen: “Hmm… Joa, schick halt mal das Drehbuch…”

Christian, vielen Dank für das Interview!

Mehr zu Christian Stock auf seiner Website.

-> Hier geht’s zum vorherigen Interview mit Florian Schmitz.

Alle Bilder © Simon Taal

Edit: Jahre später nach diesem Interview hat Christian Stock den Kölner Umweltverein KRAKE gegründet. Mehr dazu hier.