Florian Schmitz aus Köln-Neu Ehrenfeld hatte ich ja erst vor kurzem fotografiert und interviewt (siehe hier). Er lebt weitgehend im Stil des frühen 20. Jahrhunderts. Einfach, weil er die damailige Zeit so mag. Kleidung und Wohnung sehen dementsprechend aus.
Ich habe Florian erneut um ein kleines Shooting gebeten. Ich wollte ihn mal draußen auf der Straße ablichten, außerdem sagte er mir, dass seine Wohnung bei Dunkelheit nochmal ganz anders wirkt, mit dem ganzen Kerzen- und Öl-Lichtern. Es hat sich gelohnt!
Hier ein Interview mit Florian Schmitz (22). Er ist gebürtiger Kölner und das besondere: Er lebt schon seit Jahren wie zur deutschen Kaiserzeit, d.h. seine Kleidung und Einrichtung ist im Stil des frühen 20. Jahrhunderts. Florian habe ich bereits 2010 auf der Schauspielschule in Köln kennen gelernt, er war zwei Semester unter mir.
Schon von Anfang an hat er dort aufgrund seiner speziellen Kleidung (langer Mantel, Hut, klassische Anzüge) die Blicke auf sich gezogen und für Verwunderung gesorgt. Ich hatte ihn nicht einmal in „normaler“ Kleidung gesehen. Das heißt einmal doch, aber das war aber bei einer Szenenprobe und zählt nicht. Jemanden wie ihn, der wirklich so einen auffälligen Lebensstil hat, kannte ich bisher noch nicht. Ein Interesse an einem Interview mit ihm hatte ich schon vor einiger Zeit und jetzt war es endlich so weit. Ich habe Florian in seiner Wohnung besucht. Hier kommt man sich vor wie in einem Museum. Nur mit dem Unterschied das hier jemand wohnt. Also quasi ein Real-Life-Museum und ein ziemliches Paradies für Fotografen. Begrüßt werde ich mit festen Händedruck und selbst gemahlenem Kaffee.
Florian, wie kam es zu diesem Lebensstil? Florian Schmitz: 2004 habe ich mit 14 im Fernsehen die Sendung „Abenteuer 1900 – Leben im Gutshaus“ gesehen. Ganz normale Leute haben da einige Wochen wie zu der Zeit damals gelebt und wurden dabei gefilmt. Ich fand das sehr faszinierend. Das war quasi der Urknall, ein Aha-Erlebnis. Ich wusste sofort, dass das ist, was ich will. Nach und nach habe ich mir dann immer mehr Sachen aus der Zeit angeschafft, meist über Ebay oder Verwandte. So habe ich dann mein Zimmer eingerichtet und angefangen mich entsprechend zu kleiden. Ich habe mich immer mehr informiert, wie die Leute damals waren, wie sie gesprochen haben und so weiter. Ich habe mir sogar die Schrift angeeignet. Aber die verwende ich nur, wenn ich etwas für mich selbst aufschreibe.
Du gehst ja auch gelegentlich in dieser Kleidung aus dem Haus. Wie reagieren die Leute auf dich? Wirst du oft angestarrt? Ja, eigentlich sobald ich aus dem Haus gehe. Manchmal werde ich auch angesprochen. Die meisten sind interessiert und freundlich. Hin und wieder mache ich aber auch negative Erfahrungen, weil manche Leute nicht verstehen, dass man so leben will, meistens Jüngere. Ich wurde auch schon aggressiv angepöbelt oder sogar in die braune Schublade gesteckt. Den Hitler-Gruß gab es auch schon oder ähnlichen Kommentare. Das ist schade und etwas, was ich überhaupt nicht verstehe. Bevor ich mir ein Urteil über jemanden bilde, rede ich doch mit dem.
Als du damit angefangen hast, dich so zu kleiden, wie haben da deine Freunde darauf reagiert? Als ich mit 14 dann auch irgendwann mal zum ersten Mal mit Mantel in die Schule gekommen bin, da gab’s dann auch die ersten negativen Erfahrungen. Ich wurde mehr und mehr ausgegrenzt und war alleine in den Pausen. Einmal aber hatte ich zufällig gesehen, dass die Aula offen war in der Pause, bin dann alleine rein und habe mich an den Flügel gesetzt und gespielt. Das war echt schön. Ich hatte auch einmal 5-Klässler die heimlich zugeschaut hatten und dann geklatscht haben.
Also hat die ganze Sache zu einem Bruch mit deinen Freunden geführt? Ja, leider schon. Aber das waren dann wohl auch nicht meine richtigen Freunde. Es gab nur ganz wenige Leute in der Schule, bei dem es nicht zu einem Bruch geführt hat, zu denen habe ich aber inzwischen auch kaum noch Kontakt.
Aber ein paar Sachen von heute besitzt du schon oder? Ja, klar. Ich habe einen Laptop mit Internetverbindung, ein Handy, einen Kühlschrank und einen Rasierapparat, mit dem geht es einfach schneller. Das ganze Bad ist modern, die Wohnung gehört halt der Genossenschaft, dass kann ich nicht einfach so verändern, sonst würde das auch ganz anders aussehen. (lacht) Die Mikrowelle, der Wasserkocher und der Toaster gehören meine Mitbewohnerin, die Sachen benutz ich aber auch nicht. Dort in der Ecke stehen zwei Sessel, die mir gehören. Die Vitrine mit den Tassen und der Glastisch gehören wiederum auch meiner Mitbewohnerin. Einen Fernseher habe ich nicht, wenn ich mal TV schauen möchte, dann mit dem Laptop. Ich habe einen Stick dafür. Dann guck ich meist Simpsons, Nachrichten oder eine Doku. Elektrisches Licht ist auch vorhanden, ich benutze bei Dunkelheit aber fast ausschließlich Kerzenlicht und Öllampen.
Florian Schmitz: „Ich war schon mit Hut und Mantel in der Live-Music-Hall.“
Wie sieht es aus mit normaler Kleidung von heute? Die habe ich auch und ziehe ich auch manchmal an. Das habe ich grad gestern erst gemacht. Wenn ich Lust drauf habe, das mache ich, wie mir der Sinn grad steht. Um auch mal draußen einfach nicht angestarrt zu werden. Ich war aber auch schon mit Hut und Mantel in der Live-Music-Hall.
Was hörst du eigentlich so für Musik? Ich höre überwiegend klassische Musik, vor allem Mozart. Seit ich vor einem Jahren den Film „Amadeus“ gesehen habe, bin ich sowieso begeistert von ihm. Ich arbeite grad auch an einem Mozart-Kostüm. Ich kann aber auch selbst Klavier spielen. Aber Noten kann ich nicht lesen, ich spiele nach Gehör. Vieles, was ich höre, kann ich auch nachspielen oder zumindest Teile von Liedern. Bald soll hier in der Wohnung auch ein altes Klavier stehen.
Und wie sieht’s aus mit moderner Musik? Nee, eher weniger.
Auch nicht so mittelalte Musik wie z.B. die Beatles? Nein.
Die Schauspielschule hast du ja, wie ich auch, vorzeitig abgebrochen. Was machst du jetzt? Bist du immer noch schauspielerisch aktiv? Ich mache seit August eine Ausbildung zum Friedhofsgärtner in Köln. Das ist an der frischen Luft und ich mache wirklich was mit meinen Händen, dass finde ich gut. Dann bin ich noch in einer Laien-Theatergruppe, wir spielen einmal im Jahr ein Stück. Seit 2009 bin ich da, also noch bevor ich auf der Schauspielschule war.
Kennst du jemanden, der auch so lebt wie du? Nein, leider kenne ich niemanden, der auch so lebt. Das vermisse ich sehr. Jemanden, mit dem ich michaustauschen kann.
Kommen wir zu meinen vier Standardfragen am Schluss…
Was ist dir wichtig im Leben? Musik, Heimat, Geborgenheit.
Eine Lebensweisheit, bitte. „Es war einmal ein Land und ich hab‘ dort gelebt; und wenn man mich fragt, wie’s war – es war die schönste Zeit meines Lebens, denn ich war jung und verliebt!“ (aus dem Film „Sonnenalle“)
Die Ärzte oder Die Toten Hosen? Ich höre keine von beiden, kenne beide nicht.
Welche Frage wurde dir noch nie gestellt und wie lautet die Antwort? Ob ich nicht Lust hätte, in einer Gruppe mal so zu leben irgendwo auf’m Land oder so. Und meine Antwort: Ja sischer dat! Wann geht der Zug?
Florian, danke für das Interview und das Shooting!