Am vergangenen Samstag war ich auf der Demo von Fridays for future in Lützerath. Ich wollte mir unbedingt ein eigenes Bild von der Lage machen, Fotos machen und auch mal den Tagebau erstmals in echt sehen. Klar stand (bwz. stehe) ich auch auf der Seite der Aktivisten, hab mich jetzt aber nicht als aktiver Demonstrant verstanden, überwiegend als Fotoreporter. Zudem hatte ich die stille Hoffnung, vielleicht Greta vor die Linse zu bekommen. Die war auch vor Ort, wie man ihrem Instagram-Account entnehmen konnte. Es war auf jeden Fall ein matschiges Abenteuer. Hier ein kleiner Bericht mit Fotos.

Anreise von Köln nach Lützerath
Die Anreise mit der Bahn von Köln aus war zunächst etwas problematisch. Pünktlich um 10:30 Uhr stand ich in Köln-Ehrenfeld auf dem Gleis, um mit der Regionalbahn nach Hochneukirch (bei Mönchengladbach) zu fahren. Von hier aus sollte es laut der Instagram-Seite von Fridays for future einen Shuttlebus Richtung Lützerath geben. Der Bahnhof war entsprechend voll mit Leuten, die ebenfalls zur Demo wollten. Leider viel die Bahn aus! In der Durchsage der Bahn hieß es, (angeblich) wegen Reparatur am Zug. Ein Frau meinte, eventuell halten die Züge auch gar nicht hier, weil am Kölner Hbf schon zu viele einsteigen würden.
Zudem sei es wohl ratsam, besser über Aachen nach Erkelenz bzw. Lützerath zu fahren, die Züge seien hier nicht so voll. Auf einen Umweg hatte ich keine Lust, so wartete ich weiter, wie viele andere auch. Der nächste Zug kam nach einer halben Stunde. Total überfüllt, einige versuchten sich noch vergeblich reinzuquetschen. Beim Zug eine halbe Stunde später das gleiche Spiel. Ich hab mich dann in die S-Bahn gesetzt, um mit dieser zum Kölner Hbf zu fahren, in der Hoffnung, es dort dann endlich in die Bahn zu schaffen.
Das klappte dann auch zum Glück. Dicht gepresst ging es dann nach etwa anderthalb Stunden Verzögerung endlich Lützerath. In Hochneukirch schwärmte die Menge dann aus der Bahn und zur Bushaltestelle. Dort machte jemand mit gelber Warnweste und Megafon die Durchsage, dass aufgrund von vorgegebener Pausenzeiten der Busfahrer gerade nur zwei Shuttlebusse unterwegs seien. Diese sollten gehschwachen Leute überlassen werden. Wer zu Fußen nach Lützerath gehen könne, sollte dies bitte tun. Laufzeit: ca. 1 Stunde. Dann noch der Hinweis, dass das wohlmöglich die größte Demo sein wird, auf der wir jemals gewesen sein werden. Die Menge ging los, ich weit vorne mit dabei.

Tagebau Garzweiler oder Mordor?
Etwa eine Stunde später erreichte ich den Anfang des Tagebaus. Überall Menschen, im Hintergrund Musik und gelegentliche Ansagen von einer Bühne, die ich nicht sehen konnte. Die Polizei machte eine Angabe von 10.000 Demonstranten, von seitens der Veranstalter hieß es sogar 35.000 Leute.
Ich verschaffte mir erstmal einen Eindruck vom Tagebau Garzweiler selbst, was leider einen Gang durch ordentlich Matsch bedeutete. Denn es regnete nahezu den ganzen Tag. Nicht sonderlich stark, aber weitgehend durchgehend.
Zum ersten Mal sah ich das riesige Gebiet des Tagebaus. Überdimensional. Durch den Regen wirkte es besonders düster und diesig. Greta bezeichnete das Gebiet zuvor in einem Interview als „Mordor„. So heißt die Gegend in „Herr der Ringe“, die dem bösen Zauberer Sauron gehört. Eine düstere und karge Landschaft. Ja, der Bergiff Mordor ist ziemlich akkurat. Das gesamte Gebiet kann man kaum erfassen.
Vom Tagebau aus ging es dann weiter Richtung Lützerath. Mühseliges stapfen durch Schlamm. Eine Frau neben mir meinte zu ihrer Begleitung trocken: „Von weiter weg sieht es bestimmt so aus, als würden wir voll langsam gehen.“ Einige entledigten sich ihrer Schuhe.

Lützerath – mit Polizeitkette und Zaun komplett abgeriegelt
Als man sich dem Dorf (oder besser gesagt Weiler) näherte, hatte man es zunehmend mit Polizistenketten zu tun. Unübersichtliche Lage. Unter den Demonstranten alle möglichen Altersgruppen, wenn auch im Durchschnitt eher U30. Darunter ein Mönchskuttenträger, der direkt vor mir stand. Skurril. Hab den später auch in einem Video gesehen, in dem er einen Polizisten zu Boden schubst. Nicht nett. Von Ausschreitungen hatte ich nix gesehen. Nur zweimal hatte ich mitbekommen, wie jemand was in Richtung Polizei warf, aber direkt wütend von anderen Demonstranten mit „Nichts werfen!!“ zurecht gewiesen wurde. Die allgemeine Stimmung war durchaus etwas erhitzt. Einer der Demonstranten rief: „Keine Sorge, die Polizei kann uns nichts anhaben! Wir sind viele!“ Jemand anderes versuchte den Polizisten klarzumachen, dass es ihr Recht wäre, zu gehen, wenn der Einsatz gegen ihre persönliche Überzeugung wäre.
Auf einmal flüsterte einer der Polizisten den anderen was ins Ohr und die ganze Mannschaft zog sich weiter Richtung Lützerath zurück. Sofort rückten alle Demonstranten ebenfalls nach. Am Rand des Dorfes gab es nun aber wirklich eine unüberbrückbare Polizeikette, die scheinbar um das komplette Dorf herumging. Dahinter hier und da ein Wasserwerfer, keiner davon jedoch im Einsatz (zumindest da wo ich war). Fünf Meter hinter der Polizeikette war ein Zaun aufgerichtet worden, der das Dorf komplett abriegelte. Zu dem Zeitpunkt waren nur noch die zwei Typen im selbstgebauten Tunnel unter Lützerath. Sie nannten sich „Pinky und Brain“.
Inzwischen war es knapp vier Uhr. Ich hatte nicht das Gefühl, dass noch groß was passieren würde. Von Greta leider keine Spur. Seit kurz nach 10 war ich ja unterwegs war, so langsam meldeten sich meine Füße. Sitzen war ja unterwegs zu keinem Zeitpunkt möglich. Ich trat erschöpft den Heimweg an. Immerhin gab es auf dem Rückweg einen Shuttlebus zum Hochneukirchener Bahnhof. Der war dann auch wieder so dermaßen übervoll, dass die meisten, so auch ich, erst eine spätere Bahn nehmen konnten. Gegen 18 Uhr ging es dann wieder zurück nach Köln. Im Zug ergatterte ich sogar einen Sitzplatz und konnte nach knapp acht Stunden endlich wieder sitzen. Das hat richtig gut getan.
Abends war ich dann von den Videos überrascht, die in den sozialen Medien auftauchten und drastische Momente zeigten. Polizisten, die laut schrieen, auf Demonstranten zuliefen und mit Schlagstöcken auf diese einprügelten, Wasserwerfer im Einsatz. War ich doch zu früh gegangen? Oder war das noch bevor ich die vorderste Front überhaupt erreicht hatte? Nicht, dass ich gerne eine Dusche abgekriegt hätte. Ich denke aber, dass auf beiden Seiten nicht alles korrekt ablief.

Wird die Kohle unter Lützerath gebraucht?
Die oft gestellte Frage. Generell finde ich, wenn nicht klar ist, ob die Kohle unter Lützerath wirklich gebraucht wird, RWE nicht einfach nach Herzenslust baggern dürfen sollte. Selbst, wenn sie das es seitens der Regierung die Erlaubnis dazu haben. Manche Experten sagen, die Kohle aus Lützerath wird wegen der Energiekrise benötigt, andere sagen, nein, der Tagebau, wie er gerade ist, reicht aus, Lützerath wird nicht benötigt. In einer brandneuen Studie kam nun heraus, dass die Kohle in Lützerath nicht nur NICHT benötigt wird (inklusive Berücksichtigung der Energiekrise), sondern auch dem Pariser Klimaabkommen mit 1,5-Grad-Ziel im Weg steht, dem Deutschland zugestimmt hat.
Tagebau Garzweiler – was neben mehreren Dörfern noch beseitigt wurde
Zum Schluss noch zwei traurige Beispiele, was wegen dem Tagebau Garzweiler schon weichen musste. Neben den ganzen Dörfern, die schon umziehen mussten. Da wäre das Schloss Harff in Bedburg aus dem 14. Jahrhundert. Im späten Mittelalter war es der Sitz von Arnold von Harff (1471 – 1505), ein Ritter, der von 1496 bis 1499 eine Pilgerreise durch Rom, Jerusalem, Ägypten, Syrien, Türkei, Spanien und Frankreich machte und über seine Reiseeindrücke ein Buch schrieb. Dieses kann man hier in digitaler lesen – sehr interessant. Das Schloss Harff musste schon 1972 leider dem Braunkohletagebau Frimmersdorf weichen und wurde gesprengt. Aus diesem Braunkohlegebiet hat sich dann in den 80ern der Tagebau Garzweiler entwickelt.
2018 wurde wegen dem Tagebau im Erkelenzer Ortsteil Immerath die katholische Kirche St. Lambertus abgerissen. Im Volksmund wurde sie auch „Immerather Dom“ genannt. Für so ein kleines Dorf ein echt imposanter Bau mit zwei Türmen. Gebaut Ende des 19. Jahrhunderts, erhielt die Kirche in 1985 sogar Denkmalschutz. Im Januar 2018 demonstrierten noch an die 300 Menschen vor Ort gegen den Abriss der Kirche und einige Greenpeace-Aktivisten besetzten diese sogar kurz. Gebracht hat das alles leider nichts. Die Kirche ist längst weg und mit ihr ganz Immerath. Eigentlich ein Skandal.




#lützibleibt
Empfohlener Blog-Artikel:
Aufräumaktion von KRAKE nach der Flut in Ahrweiler
Weitere Links zum Thema:
Pinky & Brain – Interview nach ihrer Tunnel-Besetzung
Letztes Haus in Lützerath abgerissen