Seit knapp drei Jahren habe ich vor, interessante Leute zu interviewen und das Ganze mit von mir gemachten Fotos zu garnieren. Jetzt habe ich es endlich in die Tat umgesetzt. Den Start macht Sascha Fehrentz, ein 25-jähriger Regisseur und Filmemacher aus Schwerte. Hier studiert er „Film/Regie“ an der Ruhrakademie und steht kurz vor dem Abschluss. Via Facebook-Chat habe ich ihn ausgefragt.
Ja dann erstmal hallo lieber Sascha.
Hey Simon. 😉
Du bereitest grad einen Kurzfilm mit dem Titel „Lu-Lu-Love“ vor. Erzähl doch mal in drei, vier Sätze worum es da geht.
Wow, wie ich diese 3-4 Sätze Aufgaben schwierig finde. Aber gut, ich versuche es mal: In Lu-Lu-Love geht es um zwei Menschen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Lulu ist Wohnwagen-Prostituierte, sie glaubt das Leben durchschaut zu haben und hat sich ganz bewusst, zum Teil auch aus Protest gegen den Erwartungsdruck als Einzelkind reicher Eltern, für diesen Weg entschieden. Jonas hingegen ist der älteste Sohn einer Großfamilie, der auf der Flucht vor dem häuslichen Stress und des Aufmerksamkeitsmangels seiner Eltern ist. Er lebt mehr in seiner Phantasie als in der Realität und ist daher eher von der naiven Sorte. Diese beiden treffen aufeinander und bereichern einander nachhaltig.
Das Drehbuch stammt ja auch von dir selbst. Wie bist du auf die Story gekommen? Und wieviel Zeit ist vergangen von der ersten Idee bis zum Drehbuch?
In Schwerte, wo ich derzeit noch wohne, stehen zwei solcher Wohnwagen in der Nähe der A45. Auf dem Weg zu meiner Arbeit in einer Ganztagsschule bin ich sehr oft daran vorbei gefahren. Und eines Tages war einer der beiden Wagen abgebrannt. Sofort stellte ich mir die Frage, wie es dazu gekommen sein könnte und dann im Laufe des letzten Jahres hat sich die Geschichte in meinem Kopf geformt. Das ist bei mir immer so, ich habe irgendwoher eine Frage in meinem Kopf, die zu einer Geschichte wird. Die reift dann über lange Zeit und irgendwann ist sie reif, geschrieben zu werden.
Du hast ja selber auch schon geschauspielert. Was war das bisher alles so?
Das hat im Schultheater angefangen, wo ich eine Gott-Figur gespielt habe. Das hat mir irgendwie gefallen. Ich durfte damals für das Musical-Stück auch die Dialoge schreiben. Danach habe ich aber erst wieder damit angefangen, als ich Regie studiert habe, weil ich es für sehr wichtig halte, meinen Job auch von der anderen Seite zu kennen. Ich war dann in verschiedenen Laientheatergruppen dabei, von kleineren- bis Hauptrollen war alles darunter, unter anderem Möbius in die Physiker. Filmisch waren es ein paar kleine Projekte meiner Kommilitonen und die Gastauftritte in meinen Spielfilmen. Würde mich aber auch reizen, das mal wieder zu machen, nur die Zeit fehlt leider.
Kannst du dir vorstellen, eine größere Rolle in deinem eigenen Film zu spielen? Im Prinzip könntest du dir ja auch direkt die Hauptrolle geben. Andere Schauspieler träumen davon, in der gleichen Lage zu sein. Ist das kein Thema für dich?
Eigentlich nicht, nein. In einem Kurzfilmexperiment war das sogar der Fall, da ist mir einen Tag vor Drehbeginn der Darsteller ausgefallen und ich war noch nicht so gut vernetzt, wie heute. Da musste ich den Film selbst spielen. Ich würde nicht sagen, dass es schief gegangen ist, aber den Film zeige ich trotzdem niemandem. Ich habe einfach großen Respekt vor der Arbeit eines Schauspielers und wünsche mir auch den selben Respekt für meine Arbeit. Und ein optimales Ergebnis kann nur durch die Zusammenarbeit beider entstehen, man bereichert sich ja gegenseitig. Außerdem: Wieso sollte ich in meiner eigenen Brühe rühren, wenn die Zusammenarbeit auch so viel mehr Spaß macht? Es freut mich viel mehr, wenn ich Schauspielern dazu verhelfen kann eine tolle Leistung zu bringen und sich weiterzuentwickeln.
Ich weiß, wurdest du sicher schon oft gefragt, trotzdem für die, die dich noch gar nicht kennen: Wie kamst du überhaupt zum Filmemachen? Wann hast du deinen ersten Kurzfilm gemacht und seit wann kommt für dich das Filmemachen wirklich als Beruf in Frage?
Ich kam dazu, als mir ein „reguläres“ Studium zu unkreativ und eine Arbeit beim Fernsehen zu uninteressant wurden. Das hatte ich vorher beides versucht – eigentlich wollte ich Journalist werden. Meine damalige Lebensgefährtin machte mich dann darauf aufmerksam, dass ich eigentlich schon immer „Künstler“ gewesen sei. Das brauchte eine Weile, bis ich mich damit angefreundet hatte, aber dann machte es klick: Ich kann weder malen noch musizieren, aber ich kann mit Menschen umgehen (zumindest mit den meisten), sehr gut Texte interpretieren und schreiben und mich reizen Herausforderungen. Da war der Weg zur Regie nicht mehr besonders weit.
Mein erster Kurzfilm stammt von direkt vor dem Studium, quasi als Experiment. Ein sehr autobiografisch angehauchter Schinken, den ich auch niemandem mehr zeige. Das war 2007. Aber direkt, als ich mich etwas mehr mit dem Beruf und allem, was damit zusammen hängt, befasst habe stand für mich fest, dass das in Frage kommt. Nach dem Dreh von „Heimweg“, einem 100Sekünder, bei dem ich zum ersten Mal mit großem Team und auf 16Millimeter gedreht habe, war mir dann völlig klar: Diesen Beruf willst Du dein Leben lang machen.
Wieviele Filme hast du schon gemacht und gibt es einen, der dir besonders wichtig ist?
Oh, Spielfilme 2, einen interaktiven Film, der ca. 45 Minuten umfasst und einige Kurzfilme. Und es ist immer der am wichtigsten, der gerade dran ist. An und für sich liegt mir jeder Film zu 200% am Herzen, deshalb unterscheide ich da nicht so. Aber die Spielfilme sind natürlich nochmal etwas ganz anderes, weil die Arbeit daran eben 1-2 Jahre dauert, bei den Kurzfilmen in meinem Fall maximal 1-2 Monate.
Gibt’s einen Film, der dich maßgeblich beeinflusst hat?
Ja, da gibt es sicherlich viele. Aber einer hat mich besonders beeindruckt: „Bin-Jip“ von Kim Ki-Duk. Der Film erzählt eine spannende, tiefgehende Geschichte und die beiden Hauptdarsteller sprechen im ganzen Film eigentlich gar nicht. Grandios!
Was hälst du von deutschen Filmen allgemein und gibts da welche, die dir besonders gut gefallen?
Nunja, ehrlich gesagt habe ich so meine Probleme mit deutschen Filmen, aber ich weiß gar nicht so genau warum. Aus diesem Grund habe ich aber auch nicht genug gesehen, um darauf eine qualifizierte Antwort geben zu können.
Mich zieht es filmisch gesehen eher nach Frankreich, Asien, Indien, Skandinavien, Spanien oder die USA.
Oh, aha verstehe. Das ist schade, denn es gibt echt viele gute deutsche Filme. Kannst du dich noch an den letzten deutschen Film erinnern, den du geguckt hast?
Einige Kurzfilme, als Spielfilm: Hmmm, ehrlich gesagt erinnere ich mich nicht. Ich habe aber einige DVDs hier stehen: Fatih Akin-Filme, Lola rennt, Der Sandmann, Das weiße Rauschen. Alle noch ungesehen. Ich erinnere mich aber an Herr Lehmann und Das Kondom des Grauens. Oh, gerade fällt es mir wieder ein: Palermo Shooting. Aber den hatte ich eigentlich erfolgreich verdrängt.
„Lola rennt“ und „Das weiße Rauschen“ noch ungesehen!? Beides sehenswerte Filme! Und Palermo-Shooting kam ja letztens im Fernsehen, fand den auch gar nicht schlecht. Aber lassen wir das, Geschmackssache halt, kommen wir zu einem anderen Thema…
Mal ganz allgemein gefragt: Wie gehst du bei Schauspielführrung vor? Wie probst du mit Schauspielern? Hast du da bestimmte Ansätze, die du immer anwendest? Vielleicht sogar irgendwas skurilles??
Ehrlich gesagt kann ich dir das so allgemein kaum beantworten. Es gibt nur eine Sache, die immer am Anfang steht: Den Schauspieler kennenlernen. Daraus ergibt sich der Rest. Ich versuche mich demjenigen so gut es geht anzupassen, bedeutet: Die Methoden zu finden, die für sie oder ihn am besten funktionieren. Ich sehe mich da als Dienstleister, der versucht, das bestmögliche aus dem Schauspieler rauszuholen. Je nach Person kann das bestimmt auch skurril werden. 😉
Im Mai und Juni diesen Jahres hast du den Spielfilm „Beinahe negativ“ gedreht, eine Tragikomödie mit dem Thema Aids, bei dem ich auch einen kleinen Auftritt habe. Was ist da grad der Stand der Dinge und wann kann die Allgemeinheit mit der Veröffentlichung des Films rechnen?
Naja, ich gehe davon aus, dass wir den Film zur Einreichung für die Berlinale fertig haben werden, also spätestens Ende Oktober. Und ich hoffe auch, dass er dort laufen wird. Aktuell sind wir mit dem Schnitt durch und alle Abteilungen laufen auf Hochtouren auf dieses Ziel zu.
Mit „Lu-Lu-Love“ drehst du ja deinen Diplomfilm, bist also am Ende des Studiums. Was sind deine Pläne für die Zeit nach dem Film?
Naja, ich hoffe, dass der Film mir auch das Diplom einbringt. Meine Pläne sind erstmal, wieder ein bisschen zur Ruhe zu kommen. Im Moment ist alles recht stressig. „Beinahe negativ“ will betreut werden, ich ziehe im Moment nach Hannover um, dort habe ich auch einen neuen Job als Leiter des Marketingbereichs bei einer Agentur, in dem ich bereits quasi full-time arbeite, schreibe und plane Lu-Lu-Love und noch diverse andere Dinge laufen so. Ich denke, ich werde mich in Hannover dann erstmal ein wenig auf den neuen Job konzentrieren und versuchen, mich dort einzuleben. Ich habe auch angefangen, einen Roman zu schreiben, vielleicht komme ich dann auch damit weiter.
Klingt echt stressig. Aber wow, du schreibst einen Roman?! Willst du da zwei, drei Sätze zu verlieren?
Hmmm… Naja, ich traue mich ran. Das hatte ich schonmal versucht, als ich noch lange nicht reif dafür war. Aber nachdem meine Drehbücher bisher immer sehr gut angekommen sind, dachte ich mir, ich versuche es nochmal. Den Arbeitstitel kann ich verraten: „Der Mann ohne Gefühle“. Aber mehr noch nicht, dafür ist es viel zu früh.
Wird dann das Filmen durch deinen neuen Job in Zukunft mehr in den Hintergrund geraten oder wirst du dem wie gewohnt nachgehen können?
Naja, da ich sämtliche Ersparnisse und weit darüber hinaus für meine bisherigen Filme ausgegeben habe, muss ich erstmal abwarten und arbeiten, bis ich wieder welche drehen kann. Oder es findet jemand Gefallen an meiner Arbeit und möchte da Unterstützung leisten. Natürlich hoffe ich auch, dass die Spielfilme vielleicht ein bisschen wieder einbringen. Insofern wird es vermutlich eher eine Zwangspause geben, in der ich mehr schreibe als drehe. Aber in dem Job gibt es auch Dinge zu drehen, aber eher Musikvideos, Imagespots, Werbung etc.
Ok, kommen wir langsam zum Ende. Jetzt noch eine handvoll kurzer Fragen, die ich jedem zukünftigen Interviewpartner auch stellen werde.
Gern. Schonmal vorab danke für das Interview! Hoffe, ich war nicht zu ausführlich. 🙂
Passt schon, ich habe ebenfalls zu danken.
Was ist dir wichtig im Leben?
Nicht in den Spiegel schauen zu müssen, es aber ohne weiteres zu können.
Eine Lebensweisheit
Strength does not come from physical capacity. It comes from an indormitable will. – Mahatma Gandhi
Wen findest du besser: Die Ärzte oder die toten Hosen und warum? Ich weiß, sehr absurd die Frage, mich interessiert aber wirklich, was die Leute meinen.
Puuh… Deutsche Musik ist bei mir ähnlich, wie deutsche Filme… hehe. Ich würde die Ärzte den Hosen vorziehen, aber nur, wenn ich gezwungen wäre eins von beidem zu hören. 😉
Und die letzte Frage: Welche Frage wurde dir noch nie gestellt und wie lautet die Antwort?
Was ist dir wichtiger bei einem Dreh, die Menschen oder der Film? – Die Menschen. Wenn jeder zufrieden nach Hause geht, gern arbeitet und alle ihr bestes geben, kommt der Rest von selbst. Ich setze mir immer zum Ziel, etwas für die Menschen, die an dem Film mitarbeiten zu tun, Ihnen etwas zu geben.
Super, dann soll es das gewesen sein. Nochmals vielen Dank für deine Zeit und deine ausführlichen Antworten! Bei unserem nächsten Dreh, was ja Lu Lu Love ist, ich freu mich schon sehr, werde ich Ärzte-Mukke mitnehmen und das ganz laut hören und hoffe, dich damit zu beeinflussen und aus dir einen Fan zu machen.
Das hat schon eine Ex-Freundin versucht, die sich für den weltgrößten Ärzte-Fan hält. Dadurch bin ich das ertragen auch gewohnt, also leider keine Chance. 😉
Mehr zu Sascha Fehrentz: http://safepictur.es
Mehr zu „Beinahe negativ“: http://beinahe-negativ.com/